JFK: Ein Wendepunkt?

ZFF 2021: Kritik zu JFK Revisited
Bildquelle: 
Plakat, ©DCM Film

1991 veröffentlichte Oliver Stone mit «JFK: Tatort Dallas» eine dramatisierte Fassung der Ermordung von US-Präsident John Fitzgerald Kennedy, mit Kevin Costner als Bezirksstaatsanwalt in der Hauptrolle. Basierend auf historischen Dokumenten stellte der Film ungefähr folgende These auf: JFK plante grosse Umwälzungen. So wollte er den US-Auslandsgeheimdienst CIA zerschlagen, weil dieser ihn wiederholt hintergangen hatte. Er plante starke Annäherungen an Kuba und die Sowjetunion. Und er wollte keine Soldaten nach Vietnam entsenden, sondern lediglich Kämpfer von Südvietnam mit Waffen unterstützen. Insbesondere, weil dort bereits Frankreich mit seiner Kriegsführung gegen den Vietkong gescheitert war. Soweit die Fakten.

 

Deswegen hätten sich Militärs und Mitglieder aus hohen Regierungskreisen – darunter der geschasste Chef der CIA, Allen Dulles, und JFKs Nachfolger, Lyndon B. Johnson – zusammengetan und die Ermordung ihres Präsidenten orchestriert. Die sogenannte Warren Kommission, die das Attentat aufklären sollte, sei korrupt gewesen und habe einen unhaltbaren Abschlussbericht vorgelegt, der die Wahrheit verschleiere. Mit der Intention, wirtschaftliche und soziale Umbrüche zu verhindern. Soweit die These des Originals von 1991.

 

Filmbild, Quelle: zff.com

 

«JFK: Tatort Dallas» wurde in den frühen Neunzigern kontrovers diskutiert, was den der Manipulation bezichtigten Stone dazu verleitete, eine Fassung des Drehbuchs nachzulegen, welches sämtliche Quellen aufzeigte. Dies wiederum führte zu mehreren Neuuntersuchungen des Falls und zur Freigabe bis dahin unter Verschluss gehaltener Papiere. Es ist genau diese Menge an neuen Erkenntnissen, worauf die vorliegende Dokumentation «JFK Revisited – Through The Looking Glass» fusst.

 

Narratiert von Stone, Whoopie Goldberg und Donald Sutherland, werden Vorgeschichte, Tathergang und Untersuchung neu beleuchtet. Mit einer rasant geschnittenen Lawine aus Fotos, Filmmaterial, Tonbandaufnahmen und Interviews. Gezeichnet wird ein Bild von Täuschung, Unterschlagung, Inkompetenz und Zeugeneinschüchterung. Vieles davon ist längst bekannt, doch manches lässt aufhorchen. Schenkt man dem Film Glauben, waren in den Wochen vor Kennedys Tod bereits zwei Anschläge geplant gewesen, deren Strickmuster stark den späteren Geschehnissen in Dallas ähnelten. Die dazugehörigen Dokumente seien von der CIA vernichtet worden. Was Stone jedoch ziemlich deutlich darzulegen vermag, ist die Existenz von mindestens einem weiteren Schützen. Und es gibt starke Hinweise darauf, dass die Kommission genau diesen Punkt vehement zu verschleiern suchte.

 

Nun könnte man die Frage nach der Relevanz dieses Films stellen. Auf Wikipedia und in den Geschichtsbüchern ist der Fall schliesslich abgeschlossen. Tatsächlich musste sich Stone an eine britische Produktionsfirma wenden, weil er in den USA keinen einzigen Geldgeber fand. Am Ende hat der Film genau darauf eine Antwort. Die – objektiv betrachteten – Unstimmigkeiten, die das Attentat umwittern, hätten das Vertrauen der Menschen in Geheimdienste und Regierungen bis zum heutigen Tag erschüttert. Dies würde offensichtlich, wenn man sich unsere gespaltene Gesellschaft anschaue. So gesehen stelle JFKs Tod einen historischen Wendepunkt dar, dessen restlose Aufklärung ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses sei. So zumindest die sinngemässe Forderung Stones. Unterhaltsam ist das allemal – sofern man sich zwei Stunden lang konzentrieren kann.

 

Wer 2021 noch immer hartnäckig vom Einzeltäter Lee Harvey Oswald und seiner magischen Gewehrkugel überzeugt ist, wird sich auch von dieser rasanten, aber dennoch sorgfältig verfassten Neuuntersuchung nicht umstimmen lassen.

 

  • JFK Revisited – Through The Looking Glass (USA/UK 2021)
  • Regisseur: Oliver Stone
  • Sprecher: Oliver Stone, Whoopie Goldberg, Donald Sutherland
  • Laufzeit: 118 Minuten
  • Kinostart: 18. November 2021

 

Mike Mateescu / Mo, 22. Nov 2021