Hollywoods härtester Höllenhund
Telepathen, Drogenschwaden, Handgranaten: Die Zukunft ist hart, doch das Gesetz ist härter. Viel härter. Niemand kennt sein Gesicht, doch allein der Name versetzt Killer in Kaninchenstarre. Judge Josef Dredd. Der nimmt nie den Helm ab, isst seine Cornflakes ohne Milch, und wer seine verletzliche Seite sehen will, muss ihm schon ein Loch in den Pelz brennen.
Amerika. Wenige Jahre nach Mitt Romneys Wahl zum Präsidenten. 800 Millionen Menschen hausen verwahrlost in den Ruinen der alten Welt, einer Betonwüste voller Mega-Türme, Mega-Smog und Mega-Verzweiflung. Pflanzen und Wirtschaft wachsen hier längst nicht mehr, dafür blüht und spriesst die Drogenkriminalität. Weil sich aber für die Verbrechensbekämpfung gerade mal eine einzige Behörde verantwortlich zeigt, ist Papierkrieg bloss hinderlich. So patrouillieren schwer gepanzerte Gesetzesvollstrecker, sogenannte Judges mit sprachgesteuerten Mega-Knarren auf potthässlichen Motorrädern, die Mega-Highways. Erregt etwas ihr Missfallen, können sie eines von zwei möglichen Urteilen fällen. Isolationshaft oder Tod.
Dem Alltag eines solchen Brutalo-Beamten zu folgen wird der Zuschauer nonchalant genötigt. Dredd (Karl Urban / «StarTrek 11», «Priest») heisst der Mann. Optisch austauschbar, aber unter der Ausrüstung einer wie keiner. Dredd ist selten nett, kennt kein Gillette und es ist ihm so phänomenal egal, was andere über ihn denken, dass er sich sogar die markigen Sprüche spart. Dredd hat zwar ständig schlechte Laune, aber heute ist er so richtig mies drauf. Eine neue Rekrutin soll er unterweisen. Einschätzen, ob die bombige Blondie (Olivia Thirlby / «Juno», «Darkest Hour») denn überhaupt was taugt. Er wird seine Meinung schon bald ändern, als sie bei einer Routinekontrolle in einem Wolkenkratzer mit 75‘000 Einwohnern auf ein Drogennest stossen und den Zorn der gefährlichsten Bandenchefin der Stadt auf sich ziehen.
Dredd Hard
Die durchgeknallte Madeleine (Lena Headey / «Game of Thrones», «Sarah Connor Chronicles»), von allen bloss Ma-Ma genannt, hat nämlich gewaltige Expansionspläne mit einer revolutionären Designerdroge. ‘Slomo‘ verlangsamt die Wahrnehmung seiner Konsumenten um das Hundertfache und die hypnotische Wirkung gibt einer erkalteten Welt ihren Glanz und Zauber zurück. Dredd jedoch ist es superschnurz, warum oder auf welch hohem Niveau sich die Bürger seiner City zupfeifen. Lieber möchte er einen von Ma-Mas engsten Getreuen auf den Justizposten schleppen und mit dessen Geständnis der Pöbelpatin den Garaus machen. Doch Ma-Ma denkt nicht im Albtraum an eine Kapitulation und riegelt darum kurzerhand den 200-Stockwerke-Block ab. Jeder, der eine Waffe trägt, soll nun unverzüglich blutige Jagd auf Dredd und seine Rekrutin machen. Möglichen Helfern der Gesetzeshüter drohen Häutung, Tod oder noch Grausigeres …
Selten hat ein Film die Möglichkeiten der 3D-Technologie so clever und konsequent ausgeschöpft wie dieser. Durch die Plastikbrille eröffnen sich berauschende, perfekt geränderte Welten - sofern man denn mit dem Schlachthof-Fetisch des Regisseurs klarkommt. Es platzen die Dummköpfe, es klatschen die Körper schmatzend auf den Asphalt. ‚Dredd 3D‘ ist rauh wie Schmirgelpapier und ein Lobgesang auf republikanische Werte. Wenig Staat und die Waffen stets parat. Wer nicht linientreu ist, endet als Strich auf dem Boden. Und das alles schön im Takt zu analogen Synthie-Riffs und postpubertärem Gitarren-Geröhre. Neben wunderbar düsteren Klängen ist aber auch Lena Headeys Darbietung als Bösewichtin hervorzuheben. Lässt sie nicht gerade Widersacher nach Art des Grausens abmurksen, blickt sie so steinhässig drein, dass ihr selbst im überfülltesten S-Bahn-Wagon ein Fensterplatz in Fahrtrichtung garantiert wäre. Sie will hoch hinaus und legt dafür einen Abflug hin, wie man ihn seit der goldenen Ära des Glam Rock nicht mehr geniessen durfte. Und damit sollte das Zielpublikum eigentlich kristallglasklar umrissen sein. Lesen braucht man nicht können; bei so viel Geballer wird einem ohnehin noch vor der Pause Hören und Sehen vergehen. Abschliessend noch eine letzte Warnung: Diesen Film in 2D zu schauen ist ein Kapitalverbrechen! Das Urteil: der Tod. Die Sitzung ist geschlossen.
- Dredd 3D (UK / USA / Indien 2012)
- Regie: Pete Travis
- Besetzung: Karl Urban, Olivia Thirlby, Lena Headey, Jason Cope
- Budget: ca. 50 Mio $
- Drehbuch: Carlos Ezquerra, Alex Garland, John Wagner
- Laufzeit: 95 min
- Start: 15. November 2012