Ein Verbrechen, der Mord an einem Samurai

Movie-Klassiker: Rashomon
Bildquelle: 
Trigon-film.org

Text von Laila Gutknecht

 

Ich war nie ein besonderer Fan japanischer Filme. Samuraikämpfe sind eindrücklich, keine Frage, aber nach fünf Minuten hab ich die gesehen. Umso überraschender ist es doch, dass sich seit diesem Jahr ein japanischer Film in meiner persönlichen Top 5-Filmliste befindet.

 

 

Akira Kurosawas «Rashomon» wird von Filmwissenschaftlern als Meilenstein der internationalen Filmgeschichte bezeichnet. Er war 1950 der erste japanische Film überhaupt, der internationales Aufsehen erregte, und verhalf Kurosawa zu weltweiter Bekanntheit. Grund dafür war unter anderem, dass Kurosawa viele formale Strukturen des westlichen Kinos übernommen hatte, was den Film dem internationalen Publikum zugänglicher machte. 

 

Die komplexe und moderne Struktur des Films wird aus drei klaren Zeitebenen gebildet, die allesamt ineinander verschachtelt sind. Die Ebenen unterscheiden sich nicht nur durch ihre Figurenkonstellationen und Schauplätze, der Unterschied wird zusätzlich noch von unterschiedlichen Wetterverhältnissen unterstrichen.

 

Kurosawa betrachtet die grossen Fragen des Lebens

 

Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Verbrechen, ein Mord an einem Samurai. Schauplatz ist ein Gericht, drei Zeugen werden vorgeladen. Ein Holzfäller, ein Bandit und die Frau des getöteten Samurais. Der Zuschauer nimmt an der Gerichtsverhandlung teil und bekommt die jeweiligen Versionen der Figuren geschildert. Letztlich läuft es bei jeder Aussage darauf hinaus, dass der Erzählende selbst für den Tod des Samurais verantwortlich ist. Durch die filmische Darstellung der unterschiedlichen Erinnerungen entsteht beim Zuschauer eine innere Diskrepanz zwischen dem, was er mit eigenen Augen sieht und dem, was er glauben kann. Letzten Endes kommt der ermordete Samurai selbst zu Wort, indem er seine Version durch ein Medium schildert. Doch auch diese kann keine Klarheit schaffen; der Zuschauer wird mit einem Gefühl der Verunsicherung zurückgelassen, mit der Unfähigkeit, zu wissen, welche Rolle jede Figur in dem Verbrechen gespielt hat. Damit wird dem Zuschauer vor Augen geführt, dass alles im Leben subjektiv ist und wir schlussendlich alle Sklaven der eigenen Wahrnehmungen sind.

 

 

Während Kurosawa auf unterhaltsame und leichtfüssige Art erzählt, befasst er sich dennoch mit den grossen Fragen des Lebens: Schuld, Ursache, Wahrheit in Verbindung mit grossen Verbrechen; viel diskutierte Themen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber auch heute – über 60 Jahre später – bietet «Rashomon» ein kurzweiliges Filmvergnügen, welches anregt, über philosophische Grundfragen nachzudenken.

 

Für mich ist der Film die perfekte Mischung aus einem Eintauchen in eine fremde Kultur und Gedanken und Fragen, die universal sind, die die Menschheit als Ganzes und doch auch mich persönlich betreffen.

 

  • Rashomon (Japan 1951)
  • Regie Akira Kurosawa
  • Drebuch: Akira Kurosawa, Ryunosuke Akutagawa, Shinobu Hashimoto
  • Darsteller: Toshiro Mifune, Machiko Kyô, Masayuki Mori, Takashi Shimura, Minoru Chiaki, Kichijiro Ueda, Fumiko Honma, Daisuke Katô 
  • Laufzeit: ca. 88 Minuten
  • Der Film ist auf DVD und Blu-Ray im Trigon-Shop erhältlich. 
Patrick Holenstein / Mo, 30. Sep 2013