In China wird der Körper-Geist-Verbindung hohe Bedeutung zugesprochen. Kranke Menschen werden deshalb nicht über ihren Gesundheitszustand informiert. Als Grossmutter Nai Nai (Shuzhen Zhao) schlechte Röntgenaufnahmen erhält, wird ihr vom Arzt vorgegaukelt, alles sei in Ordnung. Nai Nai’s Schwester ruft indessen die weltweit emigrierte Verwandtschaft auf, die Grossmutter ein letztes Mal in China zu besuchen. Als Vorwand - damit Nai Nai nichts merkt - wird sogar eine Hochzeit ins Leben gerufen.

Im Zentrum der Dramedy steht die New Yorkerin Billy (Awkwafina). Als Tochter chinesischer Immigranten sucht sie selbst noch nach ihrem Platz auf der Welt, muss sich mit einem abgelehnten Stipendium und einem ereignislosen Liebesleben herumschlagen. Beim Besuch bei ihren Eltern erfährt sie, dass ihre Grossmutter Nai Nai schwer krank ist und nicht mehr lange Zeit hat. Da die Eltern befürchten Billy wäre nicht in der Lage ihrer Grossmutter mehrere Tage lang etwas vorzugaukeln, wird sie in New York gelassen. Doch für Billy ist dies keine Option, auch wenn sie längst nicht mehr an den Traditionen ihrer Heimat festhält.

Filmemacherin Lulu Wang zeigt auf wundersame Weise auf, wie es ist zwischen zwei Kulturen aufzuwachsen. Wie es für Emigranten ist, zurückzukehren und sich fremd in der eigenen Heimat zu fühlen. Dabei bringt uns Wang die chinesische Kultur ohne Fremdenführergetue näher und zeigt: wenn es um familiäre Angelegenheiten geht, sind wir alle gleich, egal welche Herkunft wir besitzen. Awkwafina verkörpert ihre Rolle extrem glaubwürdig und liebenswürdig. Die Chemie zwischen ihr und Shuzhen Zhao sprüht geradezu. Der Kontrast zwischen vorgegaukelten Hochzeitsvorbereitungen und inneren Verlustsängsten, wird durch die hohe Beleuchtung der Kamera und dem situativen Einsatz klassischer Musik untermauert. Lulu Wang erschuf eine bittersüsse, poetisch fabelhaft umgesetzte Familiengeschichte, die zugleich als Coming-Of-Age-Story wirkt. Für den Film liess sich Wang von persönlichen Ereignissen inspirieren. Mehr dazu in unserem Interview mit Lulu Wang hier.

Liebevoll und intellektuell inszenierte Hommage an Familienbanden, Traditionen und das Erwachsenenwerden. Ein Film, der von innen wärmt und trotz schwerer Thematik gute Laune verbreitet.

• The Farewell (USA 2019)
• Regie & Drehbuch: Lulu Wang
• Besetzung: Awkwafina, Shuzhen Zhao, Diana Lin, Tzi Ma
• Dauer: 100 Minuten
• Kinostart: 25. Dezember 2019