Der Überschätzte

Movie-Kritik: The Revenant
Bildquelle: 
© Twentieth Century Fox Film Corporation

Revenant heisst so viel wie Rückkehrer. Nicht zu verwechseln mit Reverend, das für Hochwürden oder Geistlicher steht. Mit Würde oder Spiritualität hat Alejandro González Iñárritus letzter Film nicht viel zu tun, auch wenn dies der Filmemacher sicher anders sieht. Der Film spielt um 1820 in Nordamerika. Die Europäer haben sich an die Indianer und deren Rohstoffe herangemacht. Teure Tierfelle werden nach Europa exportiert. Auf einem der Felltransporte wird Hugh Glass (Leonardo Di Caprio) von einer Bärmutter angegriffen und schwer verletzt. Die ohnehin schon wahnwitzige Expedition wird dadurch von neuem erschwert. John Fitzgerald (Tom Hardy) beschliesst schliesslich den lebendend begrabenen Glass zurückzulassen. Als sich Glass‘ Sohn wehrt, ersticht Fritzgerald ihn kaltblütig. Doch dabei hat er die Rechnung ohne Glass gemacht, der sich zurück ins Leben kämpft, mit nur einem Wunsch: Rache für seinen Sohn.

 

Dieser Gesichtsausdruck verfolgt uns mindestens 120 Minuten!

 

Manch einer fühlte sich vom Film-Trailer zurückerinnert an «Der letzte Mohikaner», «Der mit dem Wolf tanzt» oder «Braveheart» (okay, andere Epoche). Visuell mag «The Revenant» sicherlich mithalten. Die Landschaftsbilder sind weltmeisterlich durch Emmanuel Lubezki («Birdman», «Gravity») eingefangen, doch vermag der mexikanische Kameramann das Unmögliche, sprich zum dritten Mal in Folge das Goldmännchen zu holen? Dies wäre zumindest ein verdienter Sieg, was bei den übrigen Kategorien nicht der Fall wäre. Gegen «The Revenant» spricht die inhaltsleere Geschichte. Es ist ein einziger Racheakt mit klar definierten Fronten; der Gute (Glass) versus den Bösen (Fitzgerald). Der gute Leonardo resp. dessen Gesichtszüge sind meist unersichtlich. Ihn dafür mit einem Oscar zu belohnen erscheint eher sinnlos. Gleiches gilt für die Auszeichnung als bester Film. Die Relevanz des Films für die Gesellschaft ist gering. Die Dialoge dienen keinem der Charaktere, sind sie doch meist vorhersehbar und unglaublich oberflächlich. Die Geschichte - ob nun wahrhaft so stattgefunden oder nicht – hinterlässt viele Fragezeichen und wirkt an vielen Punkten enorm unglaubwürdig (wie kam robbender Glass zum Flussufer?). Von Zeit zu Zeit schwirrt der Film dann noch in Terrence-Malick-artige Sequenzen ab (kein Wunder ist Lubezki doch Malicks treuer Kameramann), um dann wieder in tarantinoesque Schlachtereien abzudriften. Eine klare Linie schafft Iñárritu nicht einzuhalten. Dies bis zum Schluss mit dem wohl selbstgefälligsten Finale. Nicht nur die Figuren bitten um Erlösung, auch die Zuschauer selbst.

 

 

Es gibt weitaus bessere Oscarkandidaten. Lasst euch nicht von den Namen (Di Caprio, Iñárritu, Lubezki) blenden.  

 

  • The Revenant (2016)
  • Regie: Alejandro González Iñárritu
  • Drehbuch: Mark L. Smith & Alejandro González Iñárritu
  • Besetzung: Leonardo Di Caprio, Tom Hardy, Domhnall Gleeson
  • Dauer: 156 Minuten
  • Kinostart: 7. Januar 2016

 

Tanja Lipak / So, 17. Jan 2016