... denn sie weiss, was sie getan hat.

Moviekritik: Kriegerin
Bildquelle: 
Zurich Film Festival Pressebild

Kriegerin ist hart. Kriegerin ist niederschmetternd und Kriegerin ist schlicht gut. Ein eindringliches und gnadenlos ehrliches Filmportrait, welches weder das Thema Neonazismus beschönigt noch mit dem moralischen Finger auf die Hauptfigur zeigt.

Die Kriegern beobachtet aufmerksam.

 

Marisa ist tief in der rechtsradikalen Szene einer ostdeutschen Kleinstadt verwurzelt. Alles ist schlecht, alles ist böse und schuld sind sowieso die Ausländer, das ist für die junge Frau klar. Sie führt ein tristes Leben, säuft, raucht, dreht Handy-Videos mit rechtspopulistischem Inhalten und prügelt wahllos auf Ausländer ein. Einzig die Arbeit im Lebensmittelgeschäft ihrer Muttern und die Beziehung zum Grossvater bringen etwas Ordnung in ihr Leben. Nach einem Angriff auf ein asiatisches Pärchen muss ihr Freund ins Gefängnis. Marisa verliert die Nerven und begeht eine Dummheit, die ihr schnell leid tut. Als sie wenig später den jungen Afghanen Rasul kennen lernt und Einblick in seine Situation als Asylbewerber bekommt, beginnt sie ihren Freundeskreis und ihre eigene Einstellung zu hinterfragen. Davon sind nicht alle begeistert.

Schon in der Anfangssequenz fällt Alina Levshin auf. Die Nachwuchsschauspielerin wurde 1984 in Odessa geboren, lebt aber heute in Berlin.  Sie hat kürzlich für ihre Rolle in Kriegerin den „Förderpreis deutscher Film“ verliehen bekommen. Levshin verkörpert die rechtsradikale junge Frau mit einer Kaltschnäuzigkeit, die erschreckt, fassungslos macht und auf gewisse Weise auch Empathie bewirkt. Nicht zuletzt gelang ihr dies, weil sie für die Rolle über 14 Stunden Videomaterial mit Interviews von realen Frauen, die der Bewegung angehören, angeschaut hat. Darüber hinaus hat sie sich mit einigen der Frauen persönlich getroffen, um sich in die Rolle einzufühlen. An einer der Frauen habe sie sich besonders orientiert, auch was Aussehen, Sprache und Ausdruck angehe, erklärte Alina Levshin.

Svenja fühlt sich bei den Neo-Nazis geborgen.

Viel Mühe gemacht hat sich auch der Regisseur von Kriegerin. David F. Wnendt, er lebt ebenfalls in Berlin, erklärte im Anschluss an den Film, dass er schon vor längerer Zeit bei der Arbeit an einer Fotostrecke gemerkt habe, wie viele jugendliche Neonazis es in Deutschland gäbe. „Darunter sind auch viele aktive Frauen“, wie Wnendt weiter erklärte. Das Thema liess ihn nicht mehr los und so beschloss er das Thema für Kriegerin aufzugreifen. Die Geschichte funktioniert über drei Handlungsstränge, die sich unweigerlich tangieren. Neben Marisa und Rasul ist da noch die 15-jährige Svenja, die unter ihrem herrischen Stiefvater leidet, bei den Neonazis Anschluss sucht und sich mit Marisa befreundet. Das Verhalten der Figuren ist zwar oft hart, manchmal dumm und wirkt gelegentlich karikiert, ist aber sehr nahe an der Realität. Zumindest laut der Crew.

<p >Interessant ist, dass die oft brachiale und mit propagandistischen Texten versehene Musik von einem Komponisten extra für den Film geschrieben wurde. Man wollte vermeiden, der rechtsgefärbten Musikszene eine Plattform zu geben. Im Wechsel mit dem ruhigen Score, funktioniert die Musik ideal. Kriegerin ist ein sehr vielschichtiger Film, der das Thema Rechtsradikalismus direkt, roh und ungeschönt zeigt, aber dabei nicht den Fehler macht, zu verurteilen. Das soll man als Zuschauer mal schön selbst machen. Allerdings gelingt dem Streifen das Kunststück zu schockieren und gleichzeitig Bedauern auszulösen.

  • Kriegerin (GER 2011)
  • Regie: David Wnendt
  • Darsteller: Alina Levshin (Marisa), Jella Haase (Svenja), Sayed Ahmad (Rasul)
  • Laufzeit: 100min
  • Kinostart: noch nicht bekannt.

 

Patrick Holenstein / Do, 10. Nov 2011