Hollywood ehrt sich selbst

Oscars 2015
Bildquelle: 
Academy of Motion Picture Arts and Science

Text von Tanja Lipak und Jasmin Honegger

 

Die diesjährige Oscarverleihung war so spannend wie schon lange nicht mehr. Mit 9 Nominierungen gingen «The Grand Budapest Hotel» und «Birdman» ins Rennen, gefolgt von «Boyhood» mit 6 Nominierungen. Moderiert wurde die Gala von Neil Patrick Harris (bekannt geworden als Barney Stinson in «How I met your mother»), der bereits mehrere Tony-Awards hosten durfte. Anecken wollte der Amerikaner nicht, sondern blieb überraschend gemässigt während der ganzen Show. Die obligate Broadway-Musical Eröffnungsszene zu Beginn, war deshalb schon der Höhepunkt seiner Moderation. Obwohl seine Parodie auf «Birdman» ebenfalls gelungen war und medial zu diskutieren gab. Wie Michael Keaton spazierte Harris von Medienleuten umringt zur Bühne, nur mit einer weissen Unterhose bekleidet.

  

Ruhig ging es dann auch mit dem ersten Schauspiel-Preis weiter. J.K. Simmons holte wie erwartet  und hochverdient die Trophäe als bester Nebendarsteller für seine Leistung als sadistisch veranlagter Musikprofessor in «Whiplash». Genauso erwartungsgemäss ging der Oscar für die beste weibliche Nebendarstellerin an Patricia Arquette für ihre 12 Jahre dauernde Performance einer alleinerziehenden Mutter in «Boyhood». Dies blieb überraschenderweise die einzige Auszeichnung für Frontrunner «Boyhood». Der zweite Favorit «The Grand Budapest Hotel“ holte sich dafür 4 Oscars in den Sparten «Kostüme», «Make-Up & Hairstyling», «Filmmusik» und «Szenenbild». Alle Gewinner bedankten sich ganz herzlich bei «Budapest»-Regisseur & Drehbuchautor Wes Anderson, mit welchem die meisten bereits mehrere Filme gedreht haben. Ebenfalls rührend war die Dankesrede vom polnischen Regisseur Pawel Pawlikowski, der den Preis für den besten ausländischen Film für seine «Ida» mit nach Hause nehmen durfte. Der Filmemacher hörte -  trotz lauter werdendem Oscar-Orchester - nicht mit seiner Dankesrede auf und gewann die Schlacht schlussendlich, er hielt die wohl längste Rede des Abends. 

 

Sieger vs. Sieger der Herzen 

 

Apropos Musikschlacht, Indie-Wunderfilm «Whiplash» gewann auch in den Kategorien «Schnitt» und «Ton». Bester Song wurde «Glory» aus der Feder von John Legend. Der Song ist Teil des Soundtracks zur  Marthin Luther King Biographie «Selma» und Legend spielte ihn im Rahmen der Verleihung live. Beim technischen Toppreis «Visuelle Effekte» hatte der Science-FictionStreifen «Interstellar» von Regisseur Christopher Nolan die Nase vorn. Ein weinendes Näschen holte sich Eddie Redmayne, der für seine Darstellung des Astrophysikers Stephen Hawking völlig überrascht zum besten Hauptdarsteller gewählt wurde. Eddies jugendlicher Charme und totale Verblüfftheit gehörten zu den schönsten Momenten des Abends. Gefasster nahm da Favoritin Julianne Moore ihren ersten Oscar für die Darstellung einer Alzheimererkrankten im Film «Still Alice» entgegen. Sie scherzte, dass sie sich über den Preis besonders freue, da Oscargewinner scheinbar länger leben, was ihr wichtig sei, da ihr Mann Bart Freundlich um einiges jünger als sie sei. 

 

Die Jugend stand aber klar nicht im Zentrum des gestrigen Abends, als zu früher Morgenstunde immer mehr Preise an «Birdman» gingen, während das Coming-of-Age Drama «Boyhood» reihenweise verlor. So holte sich «Birdman» schlussendlich die Oscars fürs Originaldrehbuch, die beste Kamera, den besten Regisseur und dann überraschenderweise – viele hätten auf «Boyhood» gewettet - für den besten Film. Wobei „überraschenderweise“ wohl das falsche Wort ist. Traditionsgemäss mag die Academy Filme über die eigene Branche, doch dass dieses Jahr die Vergabe erneut dermassen klischeehaft erfolgen würde, haben wohl die wenigsten erwartet. Experimentalfilmer Richard Linklater («Boyhood») ging zwar leer aus, triumphierte aber nach der Verleihung als Gewinner der Herzen, zumindest wenn man dem Ruf aus den Medien und Social-Media-Kanälen glaubt. 

 

Bäckstage Redaktion / Mo, 23. Feb 2015