Ich (Rachel Mwanza) bin es. Verzeih, dass ich dich störe, aber bevor du aus meinem Bauch kommst, muss ich dir meine Geschichte erzählen. Nur so wirst du verstehen können, warum ich dich vielleicht nie lieben werde, wenn du dann auf der Welt bist.

Als ich elf Jahre alt war, haben die Rebellen des Grossen Tigers (Mizinga Mwinga, «Warm Bodies») mich verschleppt. Sie wollten, dass ich eine von ihnen werde, eine Kindersoldatin. Um dies zu werden, zwangen sie mich, meine Eltern zu erschiessen. Der Schmerz und die Trauer liessen mich Geister sehen. Tote Menschen, die einst in meinem Dorf gelebt hatten. Durch die «Magische Milch» vergass ich manchmal den Schmerz, war wie betäubt, doch die Toten blieben. Manchmal erschienen sie mitten in einer Angriffsphase und zeigten mir, wo sich der Feind versteckte. Durch diese Gabe wurde ich sehr kostbar für den Grossen Tiger. Und die Rebellen begannen mich «Hexe» zu nennen. Ich sollte ihnen zum Sieg über die Regierungstruppen verhelfen.

Bild 1: Komona ist betäubt von der «Magischen Milch» und vergisst für einige Momente Schmerz und Trauer. / Bild 2: Der «Magier» und Komona kommen sich näher. (Mit Maus über Bild fahren)

Eines Nachts bemerkte ich, dass der «Magier» (Serge Kanyinda) noch wach war und ging zu ihm. Er war der Einzige, den ich mochte. Hatte er mich doch vor ein paar Tagen vor Schlägen beschützt und mir einmal sogar etwas zu essen gebracht. An diesem Abend gab er mir ein Medaillon, dass mich vor dem Krieg schützten sollte, und bald brauchte ich es auch. Denn feindliche Truppen griffen uns an und nur dank der Geister konnten wir uns noch rechtzeitig verteidigen und sie niederschlagen. Doch anstatt zurück zum Grossen Tiger zu gehen, wollte der «Magier» mit mir weglaufen.

Ein weisser Hahn zur Hochzeit

Er sagte, er liebe mich und wolle mich heiraten. Doch bevor wir heirateten, musste er mir einen weissen Hahn bringen. Mein Vater hatte nämlich stets gesagt: «Derjenige, der dich heiraten will, Komona, der muss dir einen weissen Hahn fangen. Denn es gibt nichts Selteneres, als dieses Federvieh in Weiss. Bringt er ihn dir, weisst du, dass er dich wirklich liebt.» Und der «Magier» suchte lange, bis er endlich einen weissen Hahn gefunden hatte. Doch er schaffte es. So heirateten wir und lebten fortan bei seinem Onkel (Ralph Prosper, «White House Down»).

Bild 1: Komona ist traurig, weil der «Magier» den weissen Hahn noch immer nicht gefunden hat. / Bild 2: Endlich sind sie verheiratet und machen sich auf den Weg zum Onkel des «Magiers».

Doch unser Glück währte nicht lange: Die Rebellen fanden uns und zwangen mich, mit ihnen zu kommen. Meinen Ehemann töteten sie. Die Freundin des Rebellenanführers (Alain Bastien) war damals von Feinden erschossen worden. Aus diesem Grund nahm er mich für seinen nächtlichen Beischlaf und so bist du entstanden. Doch deinen Vater wirst du nie kennenlernen, denn eines Nachts erdrosselte ich ihn, bevor ich floh.

Nun sitze ich hier am Flussufer und weiss, dass es bald so weit sein wird. Du wirst auf die Welt kommen. Doch ich weiss nicht, was du sein wirst. Ein Monster? Der Teufel? Vielleicht ja beides. Du bist schliesslich nicht aus Liebe entstanden. Trotzdem werde ich versuchen dir mein Herz zu schenken, das verspreche ich dir.

Berührend, aber nicht übertrieben sentimental

Der kanadische Regisseur Kim Nguyen hat mit «Rebelle» ein berührendes Drama über afrikanische Kindersoldaten geschrieben und verfilmt. Darin zeigt er an der jungen Komona, was diese Kinder alles erdulden müssen und wie einige schliesslich doch noch versuchen glücklich zu werden. Ein Film, der zwar schockiert und zum Nachdenken zwingt, jedoch nicht übertrieben sentimental wird. Nguyen vollführt mit diesem Film wirklich eine Gratwanderung, die ihm gelungen ist.
Die Hauptdarstellerin Rachel Mwanza wurde auf der Berlinale 2012 mit dem Silbernen Bären als Beste Darstellerin ausgezeichnet. Ausserdem ist «Rebelle» 2013 für einen Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film nominiert worden.

• Rebelle (CAN 2012, Orginaltitel: War Witch)
• Regie: Kim Nguyen
• Darsteller: Rachel Mwanza, Alain Bastien, Serge Kanyinda, Ralph Prosper, Mizinga Mwinga
• Drehbuch: Kim Nguyen
• Dauer: ca. 90 Minuten
• Kinostart Deutschschweiz: 1. August 2013