Schneeverwehungen in New Orleans
Es ist früher Morgen in New Yorks Stadtteil Manhattan. Die Strassen und Gehsteige sind noch verlassen. Aus der Ferne kommt ein Taxi herangefahren und hält vor der Tiffany-Filiale. Eine junge, schlaksige Frau in einem schlichten, schwarzen Kleid steigt aus und schlendert verträumt zum Schaufenster. Sie holt Coffee-to-go und ein Croissant aus ihrer weissen Tüte hervor. Von nahem sehen wir jetzt, dass sie eine Sonnenbrille und viel Schmuck trägt. In Gedanken versunken macht sie sich weiter auf ihren Weg. Dass es sich bei der Dame um ein Escort-Mädchen handelt, will man sich lange nicht eingestehen. Audrey Hepburn («Funny Face», «Roman Holiday») verkörpert die skurrile Holly Golightly mit viel Eleganz und Naivität. So lässt Holly eines Tages - ohne viel zu fragen - ihren neuen Nachbarn Paul Varjak (George Peppard, «A-Team»), mit dem sie sich auf Anhieb versteht, in ihre Wohnung und ihr Leben. Der junge Autor pflegt einen ähnlichen Lebensstil wie das verrückte Partygirl: Er lässt sich von einer wohlhabenden Dame (Patricia Neal), 2E genannt, aushalten.
Holly Golightly, wie man sie kennt.
«Breakfast at Tiffany’s» basiert auf der gleichnamigen Novelle von Truman Capote. Der Schriftsteller war ein enger Freund von Marilyn Monroe und wünschte deshalb auch, die Blondine würde seine bekannteste Heldin verkörpern. Regisseur Blake Edwards («The Party», «The Pink Panther») sah das anders und engagierte Audrey Hepburn. Gute Wahl, denn Monroe wollte auf Rat von Lee Strasberg die Rolle sowieso nicht annehmen. Ironischerweise war die für ihre Anmut und Grazie bekannte Hepburn wiederum in vielen Augen nicht die richtige Besetzung für das doch eher verruchte Callgirl. Doch Hepburn bewies, dass sie auch anders kann. Ihre Holly besitzt eine gewisse Schrulligkeit und Unberechenbarkeit, mit der sie ihren fehlenden offensiven Sexappeal à la Monroe wettmachte. Zudem unterscheidet sich die Filmversion stark von der Romanvorlage. Während im Roman der junge Autor eine beobachtende Rolle einnimmt und eine eher zurückhaltende Beziehung zu Holly führt, verhält es sich im Film anders herum. Der Begriff der romantischen Komödie trifft trotzdem nicht ganz zu, denn neben den sehr amüsanten Szenen wird eine grundlegend ernste Geschichte erzählt. Dies lässt die wunderschöne Inszenierung jedoch schnell vergessen.
Audrey Hepburn wäre für «Moon River» über ihre Leiche gegangen.
Neben den beiden Hauptdarstellern besticht der Klassiker mit unvergesslichen Nebenfiguren. So zeigt sich Blake Edwards Slapstick-Humor, wenn Holly – die andauernd ihren Schlüssel vergisst – wieder einmal mit ihren japanischen Nachbarn (Mickey Rooney) aneinandergerät. Oder dank den kuriosen Partyszenen. Laut Edwards wurden die Akteure ermutigt, eine richtige Party zu schmeissen und Alkohol war angeblich auch mit im Spiel. Edwards trat hier zum ersten Mal mit Henry Mancini in Berührung. Der Musiker komponierte das weltberühmte Stück «Moon River», das ihm später auch den Oscar für das beste Lied und die beste Filmmusik einbringen sollte. Angeblich wollten die Produzenten das Lied aus dem fertigen Film herausschneiden, doch Hepburn wehrte sich stark und liess einen Cut «nur über ihre Leiche» zu. So gewann der Film zwei der begehrten Filmpreise. Einen Preis hätten ebenfalls die Tiertrainer verdient. Holly lebt in ihrer grandios eingerichteter Wohnung (als Sofa dient eine halbe Badewanne) mit einem Kater zusammen. Sie besitzt das namenslose Knuddelmonster nicht, wie sie betont. So wird Hollys Bindungsangst sehr veranschaulichend an der Beziehung zu ihrem Kater dargestellt.
We´re kissing in the rain oder Kuss mit Katze. Holly und Paul haben sich gefunden.
Wenn Mann nun nach so viel Katzenpower diesem Filmklassiker einen Mafiastreifen vorziehen möchte, sollte er sich das lieber nochmals überlegen, denn Holly hält sich mit Mafiageschäften über Wasser. Jeden Donnerstag besucht sie Mafioso Sally Tomato (Alan Reed) im Sing-Sing-Gefängnis und tauscht mit ihm Wetterprognosen aus. Schneestürme im südlichen New Orleans gehören auch dazu. Neben diesen Schneegeschäften besucht Holly auch Striplokale, lässt sich volllaufen und raucht Kette. Soviel zu der Behauptung «Breakfast at Tiffany’s» sei eine altmodische Liebesschnulze. Obwohl, trockene Augen sind am Schluss genauso unwahrscheinlich wie der Versuch, sich diesen Klassiker nur einmal anzusehen. Wer zu Beginn skeptisch ist, wird sich gegen Ende als heimlicher Romantiker zeigen und gerne hin und wieder Tiffany besuchen.
- Breakfast at Tiffany’s (USA 1961)
- Regie: Blake Edwards
- Drehbuch: Truman Capote (Roman), George Axelrod (Screenplay)
- Besetzung: Audrey Hepburn, George Peppard, Mickey Rooney, Alan Reed
- Laufzeit: 110 Minuten
Bilder: © Paramount Home Media Distribution