Wo ist das Shnit?

Internationales Kurzfilm Festival Shnit ´13
Bildquelle: 
© Manuel Hubacher

Jemand müsste endlich einmal auf dem City-Tumblr «When you live in Bern» ein Video mit viel pinker Farbe einsenden und den dazugehörigen Text «When you realize it’s october, again». Denn in den letzten Jahren hat sich so etwas wie eine neue Tradition entwickelt. Die erste Oktoberwoche verbringen die Berner und andere Kulturinteressierte am internationalen Kurzfilm Festival in Bern. Vor dem Festival scheint meistens die Sonne, die Jeansjacke reicht aus. Nach dem Festival ist es dann höchste Zeit für die Herbstjacke. So auch dieses Jahr. Mit dem Unterschied, dass im Vergleich zu 2012 die Gemüter weniger erhitzt wurden, da ein neues, diesmal sehr gut funktionierendes und einfach bedienbares Reservationssystem eingeführt wurde. So weit so gut, denn auch die Filmauswahl war in traditioneller, heisst sehr guter, Qualität.

 

Wo drückt also der Schuh? Nun ja, eine Frage, die sich der eine oder andere stellte, war, wo denn jetzt genau das Shnit zentral stattfindet? Klar hat sich das Festival in den letzten Jahren immer wieder stark als internationales Filmfest mit mehreren sogenannten Playgrounds positioniert. Dadurch distanzierte es sich irgendwie auch von der Grundidee eines Film Festivals, nämlich jener, eine einzige Stadt für kurze Zeit zu einem Filmmekka zu verwandeln und Filmemacher einzuladen. Welchen Grund hätte, sagen wir mal, ein kanadischer Filmemacher, nach Bern zu reisen, wenn das Festival auch in New York stattfindet und dort dann gar noch die Preise verliehen werden? So geschehen dieses Jahr. Anstatt im Stadttheater Bern wieder die Reihen zu füllen, flog die Festivalleitung lieber nach New York und übergab in geschlossener Gesellschaft in irgendeinem Loft fleissig Preise. Trostpreis fürs Publikum: Die nominierten Filme konnten während des 7. bis 13. Oktobers nochmals online angesehen und bewertet werden.

 

Warum diese Verlagerung? Die Festivalleitung nennt strategische Gründe. Schliesslich wolle man wachsen und die Industrie käme nicht nach Bern, sondern sei in New York. Wirklich? Denn das Zurich Film Festival und das Shnit fanden während genau derselben Woche statt. Die Industrie war also eher in Zürich. Generell bleibt die Frage offen, was mit der «Industrie», oder «Branche» genau gemeint wurde. Aus Sicht des hiesigen Berner Publikums ist es entscheidend, nicht nur ein Playground des Shnits zu sein, sondern DER Playground. Das Shnit fing als kleines Kurzfilmfestival in der Reitschule an. Wer hätte damals an New York und Lofts mit Rooftop Terrassen gedacht? Eben. Solange aber die gezeigten Filme von shnittiger Art sind, seien der Leitung die strategischen Irrwege verziehen. Zu den fünf Gewinnern der diesjährigen Ausgabe zählten nämlich nur Filme aus Europa (mit Ausnahme von «Happily Ever After»). Das ist gut. Sehr gut sogar. Schliesslich kostet der Flug für die jungen mittelosen Filmemacher nach Bern weniger als jener nach Übersee. Ob diese Überlegung auch von strategischer Relevanz sein könnte? Wir werden es sehen.

 

Die Shnit Gewinner 2013:

 

Gewinner Jurypreis Kategorie unter 10 min (CHF 20‘000.-)

HAPPILY EVER AFTER (Yonni Aroussi & Ben Genislaw, Israel): Der Animationsfilm zeigt unverblümt was nach dem Happy End folgt.

 

Gewinner Jurypreis Kategorie unter 20 min (CHF 20‘000.-)

NASHORN IM GALOPP – Rhino Full Throttle (Erik Schmitt, Deutschland): Junge trifft Mädchen und gerät in einen kreativen Rausch der Gefühle à la Michel Gondry. Der Liebling der Bäckstage-Redaktion.

 

Gewinner Jurypreis Kategorie unter 40 min (CHF 20‘000.-)

GREAT (Andreas Henn, Deutschland): Basierend auf einer wahren Geschichte während es WWII, zeigt der Film wie Gewalt mit Humor besiegt werden kann.

 

Audience Award (CHF 20‘000.-)

LA PRIMA LEGGE DI NEWTON – Newton’s First Law (Piero Messina, Italien) : Alte Liebe rostet nicht, sondern bleibt auch im hohen Alter sexuell aktiv.

 

Festival Award (CHF 20‘000.-)

DIT IS RONALD – This Is Ronald (Jules Comes, Niederlande) :  Die beklemmende Geschichte eines Pädophilen und seinem Versuch, ein normales Leben zu führen.

 

Tanja Lipak / Fr, 18. Okt 2013